Dienstag, 3. Dezember 2013

Ausländische Gastronomie

Neulich hatte ich die Gelegenheit, ein Buch der Kollegin Maren Möhring über die ausländische Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland rezensieren zu dürfen. Die Rezension findet sich auf H-Soz-Kult (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-4-061). Das Buch ist insgesamt gelungen, lässt jedoch auch einige Fragen offen. So bleibt z.B. die chinesische Küche ausgespart. Offenbar verbreitete sie sich vor allem seit den sechziger Jahren. Es wäre lohnenswert, dem Aufschwung der China-Restaurants im Spiegel deutscher Presseerzeugnisse einmal näher nachzugehen. Eine erste Recherche im „Spiegel“ brachte folgende Ergebnisse zutage: 1964 (H.47) berichtete der Spiegel über den Boom der China-Restaurants, die mittlerweile in jeder deutschen Großstadt zu finden seien und angeblich doppelt so viel Umsatz machten wie deutsche Gaststätten. Der Ton ist hier durchweg positiv, Kritik gibt es an den deutschen Ausländerbehörden, die mit den Arbeitsgenehmigungen für chinesische Köche sehr restriktiv seien. Einen anderen Ton schlug das Hamburger Nachrichtenmagazin zwei Jahre später an, als ein Artikel über chinesische Spionage behauptete: „In China-Restaurants sind die Telephone oft an ein Tonbandgerät angeschlossen, dem nachrichtendienstlich geschulte Chop-Suey-Köche nach Feierabend lauschen.“ (35/1966; ein ähnlicher Artikel über chinesische Spionage in den Niederlanden findet sich auch in H. 22/1966). Hier erscheinen die chinesischen Restaurants eher als Außenstellen des chinesischen Geheimdienstes, der sie für konspirative Treffen nutzte. Inwieweit die Expansion der China-Restaurants von den Bedürfnissen der Geheimdienste motiviert war, ließ der Artikel jedoch offen. Wiederum zwei Jahre später erfuhr der deutsche Leser vom neuartigen „China-Restaurant-Syndrom“ (33/1968): Bereits fünfzehn bis zwanzig Minuten nach dem ersten Gang spürten die Betroffenen dumpfe Kopf- oder Muskelschmerzen. Dazu kämen kalter Schweiß und ungewollter Tränenfluss. Ursache sei das Glutamat, das als Geschmacksverstärker zwar in der deutschen Küche durchaus nicht unbekannt war, in den China-Restaurants aber angeblich „kanisterweise“ verbraucht würde.
In späteren Jahrgängen wurde dann zunehmend die Chinesen-Mafia („Triaden“) zum Thema der Berichterstattung. So z.B. in einem Artikel von 1991, der behauptete, 95 % der zahlreichen chinesischen Restaurants in den Niederlanden würden Schutzgeld zahlen (44/1991). Nach diesem Bericht kam es vermehrt seit den achtziger Jahren in der Bundesrepublik zu Schutzgelderpressungen und Überfällen auf Wirte von China-Restaurants. Der Artikel beleuchtete auch den Rassismus in der deutschen Polizei: Angeblich habe das BKA eine Sonderkommission „Schlitzauge“ gebildet, die jahrelang gegen eine Bande von Schutzgelderpressern ermittelte. Mittlerweile wird über China-Restaurants fast nur noch negativ berichtet. 2007 erschien in einem taz-blog ein Beitrag über das große China-Restaurant-Sterben. Die Restaurants mit ihrer pseudo- chinesischen, in Wahrheit deutschen, Inneneinrichtung würden nicht mehr zum neuen China-Bild passen (http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/05/09/das-grosse-chinarestaurant-sterben). In demselben Jahr verursachte ein mehrfacher Mord in einem China-Restaurant in Sittensen große Aufregung, und 2009 erschien im „Spiegel“ ein Artikel, in dem die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in den Gaststätten angeprangert wurden (34/2009). Neben Schutzgelderpressungen rückte damit der organisierte Menschenhandel in den Fokus der Berichterstattung. Ob die China-Restaurants wirklich vom Aussterben bedroht sind, ist unklar. Jedenfalls wäre es aber eine lohnende Arbeit, einmal eine größere Arbeit zur Rezeption der chinesischen Küche in der deutschen Presse zu schreiben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen