Eine
kleine, aber interessante Forschungskontroverse existiert
hinsichtlich des Massenkonsums in der Bundesrepublik Deutschland der
50er und 60er Jahre. Genauer gesagt, geht es um den Einfluss
ausländischer Vorbilder auf den bundesdeutschen Massenkonsum im
Sinne einer „Westernisierung“ (Anselm Doering-Manteuffel) der
frühen Bundesrepublik. Till Manning hat letztes Jahr (2011) eine
Dissertationsschrift veröffentlicht, in der er nicht nur den
Italientourismus bundesdeutscher Urlauber untersucht, sondern daran
weit reichende Behauptungen knüpft. So sei der Italienurlaub
stilbildend für eine ganze westdeutsche Konsumentengeneration
geworden. Diese These blieb nicht unwidersprochen. Patrick Bernhard
hat in einem Aufsatz die bis in die 70er Jahre existierenden mentalen
Vorbehalte der Deutschen gegenüber den Italienern als Hindernis für
eine „Italianisierung“ der Bundesrepublik betont. Nach meiner
Meinung wohl zurecht. Zum Massentourismus, der konsum- und
sozialhistorisch in der Tat ein hoch interessantes Phänomen
darstellt, sei aus vergleichender europäischer Perspektive noch
bemerkt, dass das Reiseverhalten in den einzelnen Ländern in den
50er und 60er Jahren noch sehr unterschiedlich war. In Italien war
Urlaub noch kaum verbreitet, Franzosen reisten aufs Land, um
Verwandte zu besuchen. Die Briten hatten Mitte der sechziger Jahre
zwar die höchste Reiseintensität, blieben aber auf ihrer Insel. Die
Deutschen reisten zwar häufiger ins Ausland, aber hier war lange
Zeit das kulturell ähnliche Österreich ein beliebteres Reiseziel
als Italien oder andere Länder. Klammert man Österreich aus, so
reisten selbst Ende der 60er Jahre nicht mehr als 15 % der
Bundesbürger ins Ausland. Reicht das für die Bezeichnung
„Italiengeneration“? Oder haben wir es nicht doch eher mit einer
Schwarzwald- und Sauerlandgeneration zu tun?
Hier
die Literaturhinweise: Till Manning, Die Italiengeneration.
Stilbildung durch Massentourismus, Göttingen 2011; Patrick Bernhard,
“Dolce Vita”, “Made in Italy” und Globalisierung, in: Oliver
Janz/ Roberto Sala (Hg.), Dolce Vita. Das Bild der italienischen
Migranten in Deutschland, Frankfurt/ New York 2011, S. 62-81; Manuel
Schramm, Nationale
Unterschiede im westeuropäischen Massenkonsum. Großbritannien,
Frankreich, Deutschland und Italien 1950–1970, in: Manuel Schramm
(Hg.), Vergleich und Transfer in der Konsumgeschichte, Leipzig 2010
(Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und Vergleichende
Gesellschaftsforschung 6/2009), S. 68-85
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