Neulich
hatte ich die Gelegenheit, ein Buch der Kollegin Maren Möhring über
die ausländische Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland
rezensieren zu dürfen. Die Rezension findet sich auf H-Soz-Kult
(http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-4-061). Das
Buch ist insgesamt gelungen, lässt jedoch
auch einige Fragen offen. So bleibt z.B. die chinesische Küche
ausgespart. Offenbar verbreitete sie sich vor allem seit den
sechziger Jahren. Es wäre lohnenswert, dem Aufschwung der
China-Restaurants im Spiegel deutscher Presseerzeugnisse einmal näher
nachzugehen. Eine erste Recherche im „Spiegel“ brachte folgende
Ergebnisse zutage: 1964 (H.47) berichtete der Spiegel über den Boom
der China-Restaurants, die mittlerweile in jeder deutschen Großstadt
zu finden seien und angeblich doppelt so viel Umsatz machten wie
deutsche Gaststätten. Der Ton ist hier durchweg positiv, Kritik gibt
es an den deutschen Ausländerbehörden, die mit den
Arbeitsgenehmigungen für chinesische Köche sehr restriktiv seien.
Einen anderen Ton schlug das Hamburger Nachrichtenmagazin zwei Jahre
später an, als ein Artikel über chinesische Spionage behauptete:
„In China-Restaurants sind die Telephone oft an ein Tonbandgerät
angeschlossen, dem nachrichtendienstlich geschulte Chop-Suey-Köche
nach Feierabend lauschen.“ (35/1966; ein ähnlicher Artikel über
chinesische Spionage in den Niederlanden findet sich auch in H.
22/1966). Hier erscheinen die chinesischen Restaurants eher als
Außenstellen des chinesischen Geheimdienstes, der sie für
konspirative Treffen nutzte. Inwieweit die Expansion der
China-Restaurants von den Bedürfnissen der Geheimdienste motiviert
war, ließ der Artikel jedoch offen. Wiederum zwei Jahre später
erfuhr der deutsche Leser vom neuartigen „China-Restaurant-Syndrom“
(33/1968): Bereits fünfzehn bis zwanzig Minuten nach dem ersten Gang
spürten die Betroffenen dumpfe Kopf- oder Muskelschmerzen. Dazu
kämen kalter Schweiß und ungewollter Tränenfluss. Ursache sei das
Glutamat, das als Geschmacksverstärker zwar in der deutschen Küche
durchaus nicht unbekannt war, in den China-Restaurants aber angeblich
„kanisterweise“ verbraucht würde.
In
späteren Jahrgängen wurde dann zunehmend die Chinesen-Mafia
(„Triaden“) zum Thema der Berichterstattung. So z.B. in einem
Artikel von 1991, der behauptete, 95 % der zahlreichen chinesischen
Restaurants in den Niederlanden würden Schutzgeld zahlen (44/1991).
Nach diesem Bericht kam es vermehrt seit den achtziger Jahren in der
Bundesrepublik zu Schutzgelderpressungen und Überfällen auf Wirte
von China-Restaurants. Der Artikel beleuchtete auch den Rassismus in
der deutschen Polizei: Angeblich habe das BKA eine Sonderkommission
„Schlitzauge“ gebildet, die jahrelang gegen eine Bande von
Schutzgelderpressern ermittelte. Mittlerweile wird über
China-Restaurants fast nur noch negativ berichtet. 2007 erschien in
einem taz-blog ein Beitrag über das große China-Restaurant-Sterben.
Die Restaurants mit ihrer pseudo- chinesischen, in Wahrheit
deutschen, Inneneinrichtung würden nicht mehr zum neuen China-Bild
passen
(http://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/05/09/das-grosse-chinarestaurant-sterben).
In demselben Jahr verursachte ein mehrfacher Mord in einem
China-Restaurant in Sittensen große Aufregung, und 2009 erschien im
„Spiegel“ ein Artikel, in dem die menschenunwürdigen
Arbeitsbedingungen in den Gaststätten angeprangert wurden (34/2009).
Neben Schutzgelderpressungen rückte damit der organisierte
Menschenhandel in den Fokus der Berichterstattung. Ob die
China-Restaurants wirklich vom Aussterben bedroht sind, ist unklar.
Jedenfalls wäre es aber eine lohnende Arbeit, einmal eine größere
Arbeit zur Rezeption der chinesischen Küche in der deutschen Presse
zu schreiben.
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