Vom
Deutschen Historischen Institut in Washington gibt es einen
interessanten Call for Papers
(http://www.ghi-dc.org/index.php?option=com_content&view=article&id=1422&Itemid=1232)
für einen Workshop zum Thema Geschichte des Selbermachens
(Do-It-Yourself). In der Tat ist das ein interessantes Thema, zu dem
noch nicht viele wissenschaftliche Studien vorliegen. Vom Standpunkt
der Konsumgeschichte ist das Interessante daran, dass Selbermachen
einerseits als Negation der modernen kommerziellen Konsumgesellschaft
erscheint, die ja auf Kaufen und Verkaufen beruht. So grenzen viele
Historiker den modernen Konsum auch von der traditionellen
Selbstversorgung ab. Andererseits lässt sich leicht zeigen, dass
diese Abgrenzung nie vollständig sein kann. Anders formuliert: auch
zum modernen Konsum gehörte das Selbermachen immer dazu, sei es als
Aneignung von Gegenständen wie Auto-Tuning, sei es als traditionell
weiblich konnotierte Hausarbeit wie das Ausbessern von Kleidung etc.
Somit handelt es sich bei der wohl in der Nachkriegszeit in den USA
entstandenen Do-It-Yourself-Bewegung weniger um einen Gegenentwurf
zum modernen Konsum, sondern eher um eine Substitution des Konsums
von Dienstleistungen (z.B. Reparaturen durch Handwerker) durch den
Konsum von materiellen Objekten (Werkzeug etc.).
Ich
habe nur am Rande zu dem Thema geforscht, aber ein oder zwei
Bemerkungen sollen hier dennoch gemacht werden. Erstens dürfte die
Abgrenzung zur traditionellen Selbstversorgung schwierig sein.
Schließlich war es lange Zeit die Regel, dass bestimmte Konsumgüter
wie Kleidung, Möbel oder Hausrat selbst repariert wurden, lange
bevor man von „Do-It-Yourself“ gesprochen hat. Die traditionelle
Selbstversorgung wird in ihrer Bedeutung häufig unterschätzt. Allzu
oft liest man pauschale Behauptungen, dass sie durch die
Industrialisierung und Urbanisierung des 19. Jahrhunderts mehr und
mehr verdrängt worden sei. Das ist zwar nicht falsch, unterschätzt
aber die Rolle, die die Selbstversorgung im 20. Jahrhundert in Not-
und Krisenzeiten für die Stadtbevölkerung und zu allen Zeiten für
die Landbevölkerung spielte. Ein Beispiel: Für Frankreich im Jahr
1980 wird geschätzt, dass ca. 1/3 des Nahrungsmittelkonsums der
ländlichen Bevölkerung (aber nur 5,8 % desselben in der städtischen
Bevölkerung) über Selbstversorgung gedeckt wurde. Der Anteil hatte
sich gegenüber 1970 nicht verringert. Vielmehr trat in der
Nachkriegszeit der Effekt ein, dass die Selbstversorgung auch auf dem
Land immer weniger der bloßen Deckung des Bedarfs diente, sondern
immer mehr zur Bereicherung des Angebots und aus Gründen der
besseren Qualität (Frische!) betrieben wurde (Gabriella Harvey
Finazzer, Francia: L´autoconsumo in crisi?, in: Rivista di economia
agraria 40 (1985), S. 217-240).
Mit Do-It-Yourself hat
das zugegebenermaßen wenig zu tun. Hier wäre es zweitens
interessant, nach internationalen Unterschieden zu fragen. Für den
französischen Kabarettisten Emanuel Peterfalvi ist das Einkaufen im
Baumarkt jedenfalls etwas typisch deutsches, so wie der
Schrebergarten oder die Currywurst
(http://www.youtube.com/watch?v=ejn_O728krM).
Aber ist das so? Hier ist das, was Eurostat zu dem Thema zu sagen hat
(http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do;jsessionid=9ea7d07d30de975c9407440845d9a60abfe881637ae0.e34OaN8PchaTby0Lc3aNchuMch0Le0):
Der Anteil der Ausgaben eines Haushaltes für „Werkzeuge und andere
Gebrauchsgüter für Haus und Garten“ betrug 2005 0,4 % in der EU
und 0,5 % im Euroraum. Dass diese Zahlen gemessen am Gesamtbudget
eher gering sind, überrascht nicht, wohl aber die temporalen und
regionalen Unterschiede. So stieg der Anteil dieses Ausgabepostens in
Frankreich zwischen 1988 und 1994 von 0,2 auf 0,9 % und in
Großbritannien von 0,1 auf 0,6 %. Das bedeutet für diese beiden
Länder einen Sprung auf das Viereinhalb- bzw. Sechsfache innerhalb
von lediglich sechs Jahren. Wurden in dieser Zeit die statistischen
Erfassungskriterien geändert (das müsste eigentlich in der Tabelle
vermerkt sein) oder ist der Anstieg real? Wenn ja, hat die
Do-It-Yourself-Bewegung erst um 1990 in diesen beiden Ländern Fuß
gefasst?
Bei
den regionalen Unterschieden fällt auf, dass sich jedenfalls 2005
(das Jahr, für das die meisten Daten vorliegen) ein deutliches
Nord-Süd-Gefälle innerhalb Europas bemerkbar macht. Die Länder mit
dem niedrigsten Anteil an Ausgaben für Werkzeug sind Griechenland,
Spanien, Portugal, Rumänien und die Türkei (je 0,1 %); den höchsten
Anteil haben Schweden (0,9 %), die Niederlande (0,8 %), Norwegen,
Dänemark und Malta (0,7 %). Deutschland liegt mit 0,6 % knapp
dahinter. Do-It-Yourself scheint also eher ein nordeuropäisches
Phänomen zu sein (mit der Ausnahme Maltas). Eine vergleichende
Studie verschiedener europäischer Länder wäre durchaus
wünschenswert. Hoffen wir, dass der Workshop in Washington hier
weitere Aufschlüsse gibt.