Warum die moderne Umweltschutzbewegung um 1970 entstand, und inwiefern sie sich von ihren Vorläufern unterschied, ist in der Forschung nach wie vor Gegenstand von Diskussionen. Sicher ist, dass Umweltthemen noch in der 68er-Bewegung keine Rolle spielten und die Bewegung aus den USA kam, wo schon im Frühjahr 1970 der erste "Earth Day" mit vielen öffentlichkeitswirksamen Aktionen begangen wurde. Eine der Gründerfiguren der amerikanischen Umweltbewegung war die Biologin Rachel Carson, die 1962 ein alarmierendes Buch über die Auswirkungen des Insektizids DDT ("Der stumme Frühling") veröffentlichte, in dem sie die Anreicherung von DDT in der Nahrungskette problematisierte und vor einem großen Vogelsterben warnte. In gewisser Weise ist dies symptomatisch für die Umweltschutzbewegung: sie wird stark von Wissenschaftlern und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen dominiert, sie gewinnt Aufmerksamkeit mit einem gewissen Alarmismus (der manchmal gerechtfertigt ist, aber manchmal auch nicht), und sie thematisiert im Sinne der "Ökologie" (eigentlich ein Spezialgebiet der Biologie) den Zusammenhang bzw. das Gleichgewicht zwischen verschiedenen Lebewesen. Die Grundidee der Ökologie ist, dass es im Prinzip ein Gleichgewicht in der Natur gibt, das auf Störungen empfindlich reagiert. Solche Gedanken waren dem Naturschutz um 1900 noch fremd.
Die Themen des Umweltschutzes sind zu vielfältig, um hier ausführlich behandelt zu werden. Eine besonders stark polarisierende Debatte betraf die Atomenergie (Atomkraft, Kernkraft). Die Anti-AKW-Bewegung lässt sich nicht sinnvoll von der Umweltbewegung trennen. Die Atomenergie galt in den 50er und 60er Jahren als die Energieform der Zukunft. Der Bau der Atomkraftwerke für die zivile Nutzung setzte jedoch erst in den 70er Jahren ein und traf auf den Widerstand der entstehenden Anti-AKW-Bewegung, wie 1975 im badischen Wyhl. Auch in Frankreich und Spanien fanden 1977 große Anti-AKW-Demonstrationen statt. Die Bedenken richteten sich meist gegen die Gefahr von Unfällen, bisweilen auch auf die Strahlung im Normalbetrieb und das Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle. Durch die Unfälle von Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 wurden die Befürchtungen der Gegner bestätigt, dass ein Unfall mit Kernschmelze und massiver Freisetzung von Radioaktivität möglich ist. Mehrere Staaten beschlossen den Ausstieg aus der Atomenergie oder den Nichteinstieg in dieselbe: 1978 Österreich, 1985 Dänemark, 1987 Italien, 2000 Deutschland, 2003 Belgien, 2011 die Schweiz. Andere Staaten, darunter Großbritannien, Frankreich, die USA, die Türkei oder Japan, halten an der Atomenergie fest oder wollen deren Anteil an der Stromerzeugung noch ausbauen.
Quelle: Eurostat |
Solche falschen Alarme lassen sich nicht immer vermeiden, erweisen aber der Sache des Umweltschutzes letztlich einen Bärendienst: Sie führen dazu, dass selbst ernstzunehmende Warnungen aus der Wissenschaft nicht geglaubt werden. In Umfragen (2010) glaubten 31 % der Deutschen und 25 % der Briten nicht an eine Erwärmung der Erde, wie sie von den Klimaforschern prognostiziert wird (Spiegel, BBC). Dabei ist der Klimawandel wissenschaftlich mittlerweile wesentlich besser erforscht als es das Waldsterben 1981 war. Aber das ist genau das Problem bei vielen heutigen Umweltproblemen: dass sie sich der alltäglichen Wahrnehmung entziehen und nur mit Hilfe wissenschaftlicher Untersuchungen zu erkennen sind.
Der Klimawandel ist bisher noch kein allzu großes Problem, könnte es aber in der Zukunft werden. Die globale Durchschnittstemperatur ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts um ca. 0,8 °C gestiegen. Der weitere Anstieg hängt nach den Berechnungen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) von der zukünftigen Emission von Treibhausgasen (hauptsächlich CO2) ab. Das von Politikern angegebene Ziel der Begrenzung des Anstiegs auf 2 °C setzt eine bedeutende Reduktion der globalen CO2-Emissionen voraus.
Quelle: IPCC |
Trotz aller nach wie vor existierender Probleme sollte aber nicht übersehen werden, dass der Zustand der Umwelt in Europa sich insgesamt seit 1970 deutlich verbessert hat, teilweise durch neue Gesetze und Verordnungen, teilweise durch das allgemein gestiegene Umweltbewusstsein, teilweise auch durch die Deindustrialisierung. So nahm die SO2-Belastung der Luft im Ruhrgebiet seit Mitte der 80er Jahre deutlich ab (siehe Diagramm).
Quelle: Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen |
Auch die Wasserqualität des Rheins hat sich deutlich verbessert. In den 60er und 70er Jahren war der Sauerstoffgehalt des Flusses so niedrig, dass viele Tierarten darin nicht mehr leben konnten. Eine Erholung zeichnete sich auch hier seit den 80er Jahren ab. Mittlerweile sollen sogar wieder Lachse gesichtet worden sein. Das zeigt, dass internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes funktionieren kann.
Quelle: Internationale Kommission zum Schutz des Rheins |
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