Donnerstag, 2. April 2015

Bismarck

Der 200. Geburtstag von Otto von Bismarck ist von der Medienöffentlichkeit nicht unbemerkt geblieben. Vor allem einige Politiker wie Frank-Walter Steinmeier oder Gerhard Schröder meinten sich dazu äußern zu müssen und lobten den Reichskanzler als „einen der ganz Großen“ (Schröder) bzw. als „klugen Beobachter der Wirklichkeit und scharfsinnigen Analytiker“ (Steinmeier). Die AfD in Leipzig hat sogar einen Antrag gestellt, man möge hier einen repräsentativen Platz in der Stadtmitte nach ihm benennen. Dagegen war die Süddeutsche Zeitung der Meinung, Bismarcks Mythos sei verblasst. Die neueste Bismarck-Biografie von Christoph Nonn sieht in ihm den „Geburtshelfer der Moderne“. Und Josef Joffe vergleicht in der "Zeit" Bismarck mit Abraham Lincoln.
So weit, so gut, möchte man meinen, aber doch eigentlich kein Thema für die Konsumgeschichte, außer vielleicht der Bismarck-Hering. Aber lassen sich Politik- und Konsumgeschichte wirklich immer trennen? Sollte nicht doch das eine auf das andere Einfluss nehmen?
So weit mir bekannt, stellt keiner der Bismarck-Biographen dessen Konsum in den Mittelpunkt, selbst Waltraut Engelbert nicht, die ein lesenswertes Buch über das Privatleben der Bismarcks geschrieben hat. Dabei gäbe es hier genug zu schreiben. Legendär war zum Beispiel Bismarcks großer Appetit, seine Vorliebe für die Jagd und das Trinken: „Mein bester Komfort war meine Küche; auf die habe ich immer ein gutes Stück gehalten und ebenso auf einen wohlbestellten Keller.“
Wenn es nicht so respektlos wäre, müsste man schreiben: Bismarck war ein Trinker. Das hatte er sich in seiner bekanntlich wilden Jugendzeit angewöhnt, in der er als „toller Junker“ bezeichnet wurde. Er hörte aber auch später nicht auf zu trinken und brüstete sich damit, nie betrunken zu werden. Das bedeutet freilich nur, dass sich sein Körper an den regelmäßigen Genuss großer Mengen Alkohol gewöhnt hatte. Heute weiß man, dass regelmäßiger übermäßiger Alkoholkonsum dem Gehirn schadet. Als Mittel gegen Kater empfahl er, eine ganze Flasche Champagner auf einmal auszutrinken (nicht nachmachen!). Für eine Bahnfahrt nach Berlin packte er 1878 als Reiseproviant ein: einen halben Hasen, zwei gebratene Rebhühner, eine Rehkeule, verschiedene Wurst usw., dazu Bier, Rotwein, Portwein, Nordhäuser und Kognak. Die leeren Flaschen ließ er unter dem Tisch verschwinden. Hering mochte er tatsächlich gerne und aß in fünf Jahren angeblich über tausend Stück. Einmal will er bei einer Gelegenheit 175 Austern auf einmal gegessen haben.
Ein Teil von Bismarcks Krankengeschichte dürfte durch seinen übermäßigen Alkoholgenuss (und seine Völlerei) zu erklären sein. 1859 bekam er seinen ersten schweren Schmerzanfall in der Lebergegend. Seitdem litt er chronisch an Schmerzen, Gicht, Verdauungs- und Kreislaufbeschwerden. Mit 51 Jahren (1866) erschien er als alter, kranker Mann. Er zog sich monatelang auf sein Gut zurück und war zeitweise kaum arbeitsfähig. Eine vorübergehende Besserung trat nach 1881 ein, als ihm sein Arzt seine ungesunde Lebensweise zumindest zeitweise abgewöhnen konnte.
Seine Spieler-Natur, sein Leichtsinn, den schon Zeitgenossen mit seinem Alkoholkonsum in Verbindung brachten, und sein aufbrausendes Temperament sind wohl ohne Rückgriff auf seine Lebensgewohnheiten schwer zu erklären. Die preußischen Depeschen, so spotteten seine Gegner, röchen nach Rum. Ähnlich verhält es sich mit der bekannten Offenheit Bismarcks, die in der Diplomatie völlig unüblich war. 1866 hat er den Krieg mit Österreich, den er willkürlich herbeiführte, ganz offen angekündigt. Seine Diplomatie, die in drei Kriege mündete, glich einem Vabanque-Spiel. Sein Flügeladjutant meinte nach der Schlacht von Königgrätz 1866: „Excellenz, jetzt sind Sie ein großer Mann. Wenn der Kronprinz zu spät kam, wären Sie der größte Bösewicht.“ Als Bismarck seine berühmte Bemerkung machte, die Einigung Deutschlands sei nur mit „Eisen und Blut“ möglich, meinte ein hoher Regierungsbeamter, Bismarck habe „zu stark gefrühstückt“. In der Tat trank der Junker bereits zum Frühstück Alkohol, z.B. Bordeaux-Weine.
Das alles kann hier nicht weiter ausgebreitet werden, aber es würde sich lohnen, der Verbindung von Konsum und Politik mal in dieser Richtung nachzugehen, anstatt immer zu fragen, wie die Politik den Konsum beeinflusste. Ob wir unsere Straßen und Plätze nach einem skrupellosen Trinker und Spieler benennen wollen, ist eine andere Frage.

1 Kommentar:

  1. Guten Abend Herr Schramm!

    In welchen schriftlichen Quellen lässt sich denn das Ernährungsverhalten des Otto von Bismarck nachlesen? Vielen Dank!

    Beste Grüße

    Michael Wetz

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