Der 200. Geburtstag von
Otto von Bismarck ist von der Medienöffentlichkeit nicht unbemerkt
geblieben. Vor allem einige Politiker wie Frank-Walter Steinmeier
oder Gerhard Schröder meinten sich dazu äußern zu müssen und
lobten den Reichskanzler als „einen der ganz Großen“ (Schröder)
bzw. als „klugen Beobachter der Wirklichkeit und scharfsinnigen
Analytiker“ (Steinmeier). Die AfD in Leipzig hat sogar einen Antrag
gestellt, man möge hier einen repräsentativen Platz in der
Stadtmitte nach ihm benennen. Dagegen war die Süddeutsche Zeitung
der Meinung, Bismarcks Mythos sei verblasst. Die neueste
Bismarck-Biografie von Christoph Nonn sieht in ihm den „Geburtshelfer
der Moderne“. Und Josef Joffe vergleicht in der "Zeit" Bismarck mit Abraham Lincoln.
So weit, so gut, möchte
man meinen, aber doch eigentlich kein Thema für die
Konsumgeschichte, außer vielleicht der Bismarck-Hering. Aber lassen
sich Politik- und Konsumgeschichte wirklich immer trennen? Sollte
nicht doch das eine auf das andere Einfluss nehmen?
So weit mir bekannt,
stellt keiner der Bismarck-Biographen dessen Konsum in den
Mittelpunkt, selbst Waltraut Engelbert nicht, die ein lesenswertes
Buch über das Privatleben der Bismarcks geschrieben hat. Dabei gäbe
es hier genug zu schreiben. Legendär war zum Beispiel Bismarcks
großer Appetit, seine Vorliebe für die Jagd und das Trinken: „Mein
bester Komfort war meine Küche; auf die habe ich immer ein gutes
Stück gehalten und ebenso auf einen wohlbestellten Keller.“
Wenn es nicht so
respektlos wäre, müsste man schreiben: Bismarck war ein Trinker.
Das hatte er sich in seiner bekanntlich wilden Jugendzeit angewöhnt,
in der er als „toller Junker“ bezeichnet wurde. Er hörte aber
auch später nicht auf zu trinken und brüstete sich damit, nie
betrunken zu werden. Das bedeutet freilich nur, dass sich sein
Körper an den regelmäßigen Genuss großer Mengen Alkohol gewöhnt
hatte. Heute weiß man, dass regelmäßiger übermäßiger
Alkoholkonsum dem Gehirn schadet. Als Mittel gegen Kater empfahl er,
eine ganze Flasche Champagner auf einmal auszutrinken (nicht
nachmachen!). Für eine Bahnfahrt nach Berlin packte er 1878 als
Reiseproviant ein: einen halben Hasen, zwei gebratene Rebhühner,
eine Rehkeule, verschiedene Wurst usw., dazu Bier, Rotwein, Portwein,
Nordhäuser und Kognak. Die leeren Flaschen ließ er unter dem Tisch
verschwinden. Hering mochte er tatsächlich gerne und aß in fünf
Jahren angeblich über tausend Stück. Einmal will er bei einer
Gelegenheit 175 Austern auf einmal gegessen haben.
Ein Teil von Bismarcks
Krankengeschichte dürfte durch seinen übermäßigen Alkoholgenuss (und
seine Völlerei) zu erklären sein. 1859 bekam er seinen ersten
schweren Schmerzanfall in der Lebergegend. Seitdem litt er chronisch
an Schmerzen, Gicht, Verdauungs- und Kreislaufbeschwerden. Mit 51
Jahren (1866) erschien er als alter, kranker Mann. Er zog sich
monatelang auf sein Gut zurück und war zeitweise kaum arbeitsfähig.
Eine vorübergehende Besserung trat nach 1881 ein, als ihm sein Arzt
seine ungesunde Lebensweise zumindest zeitweise abgewöhnen konnte.
Seine Spieler-Natur, sein
Leichtsinn, den schon Zeitgenossen mit seinem Alkoholkonsum in
Verbindung brachten, und sein aufbrausendes Temperament sind wohl
ohne Rückgriff auf seine Lebensgewohnheiten schwer zu erklären.
Die preußischen Depeschen, so spotteten seine Gegner, röchen nach Rum. Ähnlich verhält es sich mit der bekannten Offenheit Bismarcks, die
in der Diplomatie völlig unüblich war. 1866 hat er den Krieg mit
Österreich, den er willkürlich herbeiführte, ganz offen
angekündigt. Seine Diplomatie, die in drei Kriege mündete, glich
einem Vabanque-Spiel. Sein Flügeladjutant meinte nach der Schlacht
von Königgrätz 1866: „Excellenz, jetzt sind Sie ein großer Mann.
Wenn der Kronprinz zu spät kam, wären Sie der größte Bösewicht.“
Als Bismarck seine berühmte Bemerkung machte, die Einigung
Deutschlands sei nur mit „Eisen und Blut“ möglich, meinte ein
hoher Regierungsbeamter, Bismarck habe „zu stark gefrühstückt“.
In der Tat trank der Junker bereits zum Frühstück Alkohol, z.B.
Bordeaux-Weine.
Das alles kann hier nicht
weiter ausgebreitet werden, aber es würde sich lohnen, der
Verbindung von Konsum und Politik mal in dieser Richtung nachzugehen,
anstatt immer zu fragen, wie die Politik den Konsum beeinflusste. Ob
wir unsere Straßen und Plätze nach einem skrupellosen Trinker und
Spieler benennen wollen, ist eine andere Frage.
Guten Abend Herr Schramm!
AntwortenLöschenIn welchen schriftlichen Quellen lässt sich denn das Ernährungsverhalten des Otto von Bismarck nachlesen? Vielen Dank!
Beste Grüße
Michael Wetz