Die Verbreitung des Automobils ging weiter, auch in Ländern, in denen schon um 1970 annähernd eine Vollversorgung erreicht war. Der Trend ging also in den reicheren Ländern zum Zweitauto. Gleichzeitig wurde das Auto bereits in den 70ern zunehmend zum Lifestyle-Produkt, wie der Aufstieg von sportwagenähnlichen Serienfahrzeugen wie Opel Manta (seit 1970) oder Golf GTI (seit 1976) zeigt. In den ärmeren Ländern kam es zu einer nachholenden Entwicklung, die Verbreitung des Autos erfolgte rascher als in den reicheren Ländern. Hier wie auch in anderen Bereichen des Konsums kam es also zu gewissen Konvergenztendenzen (siehe Diagramm).
Quelle: Eurostat
Nationale Unterschiede halten sich allerdings bei den Automarken. In Deutschland ist seit über 30 Jahren der VW Golf am beliebtesten, in Frankreich die einheimischen Hersteller Renault, Peugeot und Citroen, in Italien natürlich Fiat, in Großbritannien Ford. Die Globalisierung der Automobilindustrie wirkt eher im Verborgenen, denn die "deutschen" Autos (z.B. von VW) werden nicht mehr ausschließlich in Deutschland produziert. Zwischen 2000 und 2012 fiel der Anteil der in Deutschland produzierten VW von 39 % auf 25 %, während der Anteil der in China produzierten VW von 6 % auf 21 % stieg (Internationalisierung der Automobilindustrie). Gleichzeitig findet auch im Bereich der Produktentwicklung eine Internationalisierung statt. Während bis Ende der 60er Jahre Autos zwar exportiert wurden, erfolgte doch die Entwicklung neuer Autos in einem Land und meist mit Blick auf den inländischen Markt. Das erste europäische Auto, in gewisser Weise sogar Weltauto, war der in Großbritannien und Deutschland gemeinsam entwickelte Ford Escort, der in Großbritannien Deutschland, Australien, Neuseeland und (später und in veränderter Form) den USA produziert wurde, und in den 70er und 80er Jahren zu einem der erfolgreichsten Modelle in Europa avancierte.
Auch die Haushaltstechnisierung setzte sich fort. Staubsauger, elektrische Bügeleisen und Radios hatten sich bereits in der Zwischenkriegszeit verbreitet, nach dem Krieg folgten vor allem Kühlschränke, Waschmaschinen und Telefone. Seit den 70er und 80er Jahren verbreiten sich dann, wenn auch recht langsam, Geschirrspüler und Mikrowellenherde. Diese gehören allerdings immer noch nicht zur Standardausstattung. PCs kommen insbesondere in den 90er Jahren hinzu, während Mobiltelefone erst seit Ende der 90er massenhaft Verbreitung finden. Zwischen den einzelnen Ländern existieren durchaus Unterschiede. Während in den 90er Jahren in den meisten Ländern Westeuropas bereits eine (annähernde) Vollversorgung mit Kühlschränken und Waschmaschinen erreicht war, gilt dies nicht für Geschirrspüler und Mikrowellenherde. Auffällig ist vor allem, dass sich letztere in Südeuropa weitaus weniger verbreiteten, wo nach wie vor Convenience Food nicht so weit verbreitet ist wie in Nordeuropa. Geschirrspüler dagegen verbreiteten sich vor allem in Österreich, Deutschland und Frankreich.
Quelle: Eurostat
Mit der zunehmenden Haushaltstechnisierung und der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen ging auch die Hausarbeit zurück, die traditionell überwiegend von Frauen geleistet wurde. Allerdings ließ dieser Effekt einige Zeit auf sich warten und zeigte sich erst in den 80er Jahren. Dennoch ist die Verteilung der Hausarbeit noch immer ungleich, wie das folgende Diagramm zeigt. Besonders groß sind die Unterschiede in Italien, weniger ungleich in Schweden und Norwegen.
Quelle: Eurostat
Hinsichtlich des Meidenkonsums bleibt es trotz der zunehmenden Internetnutzung dabei, dass das Fernsehen das am meisten genutzte Medium ist. Da auch hier in den meisten Ländern eine Vollausstattung gegeben ist, empfiehlt es sich, nicht die Ausstattungszahlen zu vergleichen, sondern die Nutzungsdauer. Sie ist ebenfalls durchaus unterschiedlich, mit längeren Sehzeiten in Südeuropa und Großbritannien, kürzeren in den skandinavischen Ländern, Österreich und den Niederlanden.
Quelle: Eurostat
Für die Geschichte des Fernsehens ist die Verbreitung von Farbfernsehern seit den 70er Jahren wichtig, noch mehr aber die Einführung des Privatfernsehens in den meisten Ländern in den 80er Jahren (1984 in der Bundesrepublik). In Großbritannien gab es bereits seit 1955 einen privaten Fernsehsender (ITV), aber auch dort wurde das Privatfernsehen in den 80ern ausgeweitet (Channel 4). Die gestiegene Zahl der Programme führte zum Aufkommen von Videorecordern und einer Ausdifferenzierung der Programme. Gleichzeitig stieg die Internationalisierung des Fernsehens. Schon in den 60ern waren zwar wichtige Ereignisse wie die erste Mondlandung in alle Welt übertragen worden, doch die meisten Programme blieben national. In den 80ern verbreiteten sich amerikanische TV-Serien wie "Dallas" über weite Teile der Welt. Aber nicht nur amerikanische Produktionen finden globalen Absatz, wie das Beispiel der ursprünglich britischen Show "Wer wird Millionär?" zeigt, die heute in vielen Ländern in national leicht verschiedenen Ausgaben gezeigt wird.
Karte: Länder mit einer eigenen Ausgabe von "Wer wird Millionär?" (lila); Quelle: wikimedia
Auch im Bereich der Ernährung kam es zu Globalisierungstendenzen. In erster Linie denkt man dabei natürlich an die populären amerikanischen Fast Food-Unternehmen wie McDonald´s, Burger King und andere. McDonald´s hat das Fast Food nicht erfunden, sondern griff auf die Erfahrungen anderer Unternehmen wie "White Castle" zurück. Schnelles Essen, das auf der Straße verkauft wurde, gab es schon sehr lange. Neu war die zunächst amerikaweite, dann auch internationale Standardisierung. Der Kostenvorteil besteht einerseits in Skaleneffekten (economies of scale), zum anderen aber im Vergleich zur traditionellen Gastronomie darin, dass der Kunde Teile des Service selbst übernimmt. Dadurch lassen sich teure Personalkosten einsparen. McDonald´s wurde 1940 gegründet, expandierte aber erst in den 50er und vor allem in den 60er Jahren. 1967 wurde die erste Auslandsfiliale eröffnet (in Kanada), 1971 die ersten europäischen Filialen (nahe Amsterdam und in München). In den 70er, 80er und 90er Jahren wuchs das Unternehmen stark, trotz zunehmender Konkurrenz von anderen Fast Food-Ketten. Ende der 90er Jahre geriet McDonald´s zunehmend in das Visier der Globalisierungskritiker. Imageprobleme und wirtschaftliche Schwierigkeiten (2002 schrieb das Unternehmen zum ersten Mal Verlust) führten dazu, dass McDonald´s seit ca. 2003 versucht, sich ein besseres Image zu geben (u.a. mit gesünderem Essen) und Wachstum weniger durch Expansion als durch mehr Umsatz pro Filiale zu erzielen. Mittlerweile gibt es über 36.000 Filialen in 119 Ländern, aber die Gästezahlen sind rückläufig.
Das spektakuläre Wachstum der globalen Ketten (u.a. auch Starbucks, Dunkin Donuts, Subway etc.) ist nicht die einzige Form der Globalisierung. Das Interesse an ausländischer Küche nahm in den meisten Ländern zu, was sich im Wachstum von ausländischen Restaurants wie an der verstärkten Publikation von exotischen Kochrezepten in Frauenzeitschriften zeigte (siehe Diagramm).
Quelle: Régnier 2003
Welche ausländische Küche stark vertreten war, unterschied sich jedoch von Land zu Land (in Großbritannien eher indische Küche, in Frankreich arabische, in Deutschland italienische, griechische, jugoslawische etc.) und hing zum Teil mit den Migrationsströmen nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Manche ausländischen Küchen verbreiten sich aber unabhängig davon mehr oder weniger weltweit und stillen das Bedürfnis nach Abwechslung, z.B. irische Pubs, chinesische Restaurants oder spanische Tapas Bars.
Nationale und regionale Unterschiede blieben bisher zumindest bestehen. Angleichungstendenzen innerhalb Europas gab es beim Verzehr von Fleisch, der insgesamt stark zunahm, aber in den Ländern mit einem niedrigeren Ausgangsniveau deutlich stärker. Aber noch Mitte der 90er Jahre verzehrten die Italiener und Griechen doppelt so viel Getreide pro Kopf wie die Niederländer, die Briten dreimal so viele Kartoffeln wie die Italiener, und die Griechen fünfmal so viel Gemüse wie die Schweden. Hier lässt sich (mit Ausnahme des Fleischkonsums) ein älteres Nord-Süd-Gefälle erkennen, da in Südeuropa traditionell mehr Gemüse, weniger Kartoffeln und mehr Getreideprodukte konsumiert werden. Auch zeigt sich der Trend zum Convenience Food in Nordeuropa stärker als in Südeuropa.
Fleisch 1970 | Fleisch 1996 | Getreide 1970 | Getreide 1996 | Kartoffeln 1970 | Kartoffeln 1996 | Gemüse 1970 | Gemüse 1996 | |
BRD | 73,2 | 86,5 | 68 | 98,3 | 112 | 80,6 | 64,4 | 77,4 |
Frankreich | 84,5 | 98,8 | 80,9 | 111,2 | 98 | 67,3 | 126,5 | 122,4 |
Italien | 47,8 | 86 | 126,5 | 157,8 | 44,3 | 37,6 | 157,7 | 177,2 |
Niederlande | 51,3 | 92,8 | 65,9 | 77,7 | 89,8 | 86,5 | 72 | 87,4 |
Griechenland | 40,5 | 76,8 | 114,3 | 150,4 | 58,9 | 65,2 | 139,4 | 284 |
Großbritannien | 71 | 72,2 | 72,5 | 91,7 | 102 | 110 | 60,1 | 83,4 |
Schweden | 51,3 | 66,4 | 58,3 | 97,5 | 91,7 | 56,4 | 34,6 | 56,4 |
Dänemark | 60,4 | 102,2 | 70,5 | 102 | 94 | 67,3 | 41 | 67,3 |
Österreich | 68,5 | 105,2 | 90,1 | 102,3 | 73,4 | 61,7 | 69,9 | 61,7 |
Portugal | 28,1 | 78,6 | 124,9 | 125,8 | 98,8 | 128,5 | 197 | 128,5 |
Angaben in kg pro Kopf und Jahr; Quelle: Eurostat
Eine weitere Tendenz des Konsums seit den 70er Jahren ist die Pluralisierung. Der Konsum ist nicht mehr nur nach sozialer Schicht unterschiedlich, sondern auch innerhalb der einzelnen Schichten differenzieren sich einzelne Lebensstile oder Milieus aus. Manche Soziologen gehen sogar so weit, die traditionelle Einteilung der Gesellschaft in Klassen oder Schichten für überholt zu halten und die Bevölkerung nach anderen Kriterien (Wertorientierung, Alter, Bildung) einzuteilen. Bei Gerhard Schulze z.B. sind Alter und Bildung die entscheidenden Variablen, mit denen er die Bevölkerung (hier der Bundesrepublik) in fünf Milieus einteilt.
Erklärung: Alter auf y-Achse, Bildung auf x-Achse
Jedem dieser Milieus lassen sich dann bestimmte Wertorientierungen und Lebensstile zuordnen. So sind im "Selbstverwirklichungsmilieu" junge Menschen mit überwiegend postmaterialistischer Orientierung zu finden. Das klassische Bildungsbürgertum wird hier zum "Niveaumilieu". Anzumerken bleibt, dass Bildung in hohem Maße mit Einkommen korreliert, das Schema von Schulze also nicht unvereinbar ist mit traditionellen Sozialstrukturmodellen. Diese haben häufig die Form eines Hauses, in der eine schmale Oberschicht,eine breite Mittelschicht und eine wiederum kleine Unterschicht wohnen.
Welches Modell die Realität am besten wiedergibt, ist letztlich eine Frage der Einschätzung und auch der Absicht, die mit solchen Einteilungen verfolgt wird. Interessanter als die Frage, wie groß Ober-, Mittel- und Unterschicht denn wirklich sind (die Einteilungen sind immer willkürlich), ist die Frage, wie sich die soziale Ungleichheit im Zeitverlauf entwickelt. Und hier ist der Trend ganz eindeutig: In den 50er und 60er Jahren wurden die Gesellschaften, jedenfalls gemessen am Einkommen, tendenziell gleicher. Ab 1970 oder 1980 kehrte sich dieser Trend um und die Gesellschaften wurden immer ungleicher, wenn auch mit Ausnahmen (Frankreich) und im Zeitverlauf und Ausmaß unterschiedlich. In den USA verschärfte sich die Ungleichheit stärker als in Europa, aber die Tendenz ist in fast allen OECD-Ländern zu beobachten.
Eine weitere wichtige Entwicklung in der Sozialstruktur ist die Erosion traditioneller Milieus. Das betrifft vor allem die traditionelle Arbeiterklasse, die in den 50er und 60er Jahren zwar zahlenmäßig erhalten bleibt, sich aber durch unterschiedliche Einkommenssteigerungen ausdifferenziert. Seit ca. 1970 geht auch die Zahl der Arbeiter beständig zurück, während die der Bauern schon seit den 50er Jahren beständig schrumpft. Immer mehr Menschen gehören zur breiten Klasse der Angestellten, die allerdings vom Top-Manager bis zur Reinigungskraft mit Mindestlohn sehr unterschiedliche Berufsgruppen umfasst.
Die Auflösung oder zumindest Abschwächung der traditionellen Milieus ist eine direkte Folge des strukturellen Wandels und damit auch der Globalisierung, die zur Verlagerung vieler Industrien geführt hat. Die Gründe für die Zunahme der Ungleichheit sind komplexer. Eine Rolle spielen hierbei auf jeden Fall die wirtschaftspolitischen Kurswechsel seit den 70er und 80er Jahren, die u.a. Steuersenkungen und (jedenfalls teilweise) Einschränkungen in den Sozialsystemen mit sich brachten. Beides verschärfte die Ungleichheit, da von den Steuersenkungen vor allem die einkommensstarken Haushalte profitierten, während von den Kürzungen im sozialen Bereich vor allem einkommensschwache Haushalte betroffen waren. Es gibt aber kein festgelegtes Maß, wie viel soziale Ungleichheit toleriert wird bzw. ab wann der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährdet ist.
Literatur:
George Ritzer, Die McDonaldisierung der Gesellschaft, Konstanz 4. Aufl. 2004
Faustine Régnier, Spicing up the imagination. Culinary exoticism in France and Germany; 1930-1990;
in: Food & foodways; j. 11; 2003; n. 4; S. 189-215
Gerhard Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt 8. Aufl. 2000
Reiner Geissler, Die Sozialstruktur Deutschlands, Wiesbaden 7. Aufl. 2014
Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, München 2014
Hans-Christian Riekhof (Hg.), Retail Business in Deutschland. Perspektiven, Strategien, Erfolgsmuster, Wiesbaden 2. Aufl. 2008