Dienstag, 24. Juni 2014

Vorlesung Zeitalter des Massenkonsums: Außenpolitik, Kalter Krieg

Zum Zeitalter des Massenkonsums gehören auch die außenpolitischen Rahmenbedingungen, und die gaben durchaus Anlass zur Sorge. Gewiss, der Kalte Krieg der Supermächte verhinderte einen "heißen" Krieg in Europa, doch bestand bis in die sechziger Jahre hinein die Gefahr einer militärischen Konfrontation der Supermächte mit ungewissem Ausgang, vielleicht sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen.
Es gibt hinsichtlich der Verwendung des Begriffs "Kalter Krieg" keine Einigkeit unter Historikern. Manche grenzen den Kalten Krieg im engeren Sinne von Phasen der Entspannungspolitik zwischen den Supermächten ab, andere sehen in der Entspannungspolitik lediglich eine Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln. Auch der Beginn des Konfliktes ist umstritten. Letztlich existierten schon zu Zeiten der Anti-Hitler-Koalition gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Alliierten, die lediglich durch den gemeinsamen Kampf überdeckt wurden. Nach dem Krieg blieben nur zwei globale Supermächte übrig. Großbritannien, die dritte Siegermacht, war hoch verschuldet und damit von den USA abhängig.
Der Dualismus der beiden verbleibenden Supermächte, die sich um Einflusssphären stritten, hätte möglicherweise allein schon ausgereicht, um einen Kalten Krieg zu provozieren. Hinzu kamen die ideologischen Gegensätze zwischen repräsentativer Demokratie und Marktwirtschaft einerseits und sozialistischer Gesellschaftsordnung bzw. Diktatur Stalins andererseits.
Dennoch war der Kalte Krieg, jedenfalls in der Schärfe der Auseinandersetzung, die an den Rand eines Krieges führte, wohl nicht unvermeidbar. Vgl. hierzu die Darstellung von Wilfried Loth:
http://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/kalter_krieg/l_01.htm.
Vielmehr unterstellten beide Seiten der jeweils anderen Seite aggressivere Absichten als tatsächlich existierten. Für die USA formulierte der Diplomat George Kennan bereits am 22. Februar 1946 in seinem berühmten "langen Telegramm" die Grundlinien der Eindämmungspolitik Text hier:
http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/coldwar/documents/episode-1/kennan.htm
. Er ging davon aus, dass die sowjetische Führung ein neurotisches, übersteigertes Sicherheitsbedürfnis habe, das sie letztlich zu einer expansionistischen Außenpolitik verleite. Umgekehrt war Stalin davon überzeugt, dass die kapitalistischen Mächte auf Dauer nicht in Frieden leben könnten und daher früher oder später auch die Sowjetunion angreifen würden.
 Diese Grundhaltungen führten zu einer Reihe von Konfrontationen, die mehr oder weniger nah an die Schwelle eines Krieges der Supermächte führten, aber auch immer wieder von Phasen der Entspannung abgelöst wurden. Zweimal stand Berlin im Zentrum des Konfliktes, einmal bei der Berlin-Blockade 1948/49 und zum zweiten Mal in der Berlin-Krise 1958-61. Das lag weniger an einem besonders ausgeprägten Interesse der sowjetischen Führung an Berlin als vielmehr daran, dass hier der Westen besonders verwundbar erschien, da Westberlin eine Enklave in der sowjetischen Besatzungszone und später der DDR darstellte. Beide Male wurde die Berlin-Frage als Druckmittel benutzt, um Konzessionen in anderen Bereichen zu erlangen. 1948/49 ging es Stalin wohl darum, die Gründung eines westdeutschen Teilstaates zu verhindern, die sich mit der Gründung der Trizone und der Währungsreform 1948 bereits andeutete. Die Alliierten gaben bekanntlich in dieser Frage nicht nach und versorgten Berlin mit einer Luftbrücke. Letztlich führte die Berlin-Blockade nur zu einer beschleunigten Integration des westlichen Bündnisses. Die NATO wurde im April 1949, die Bundesrepublik im Mai gegründet. Ende 50er Jahre benutzte Chruschtschow Berlin als Druckmittel, um die geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr zu verhindern. Der Bau der Berliner Mauer 1961 wurde vor allem von der DDR-Führung um Walter Ulbricht voran getrieben. Sie hatte letztlich wirtschaftliche Gründe, da durch die offene Grenze zu Westberlin der DDR viele wertvolle Arbeitskräfte verloren gingen. Im Oktober 1961 kam es im Zuge des Mauerbaus zu einer Konfrontation zwischen sowjetischen und amerikanischen Panzern am Checkpoint Charlie, die sich gefechtsbereit gegenüber standen. Eine bewaffnete Auseinandersetzung blieb aber aus.
Der einzige bekannte Fall, in dem tatsächlich sowjetische Einheiten gegen US-amerikanische kämpften, war der Korea-Krieg von 1950-53, an dem allerdings offiziell die Sowjetunion nicht beteiligt war, wohl aber das mit ihr verbündete China. Der Überfall Nordkoreas auf den Süden im Januar 1950 schien die schlimmsten Befürchtungen der Westmächte über den sowjetischen Expansionswillen zu bestätigen. Dennoch weigerte sich Präsident Truman, die Atombombe einzusetzen. Der Krieg endete 1953 mit einem Waffenstillstand, der im Wesentlichen die alten Grenzen bestätigte.
Die letzte große Konfrontation war die Kuba-Krise im Oktober 1962, als die Sowjetunion nach der kubanischen Revolution Kurz- und Mittelstreckenraketen auf Kuba stationieren wollte, die auch die USA hätten erreichen können. Das Ziel war hier zum einen die Verteidigung der kubanischen Revolution und die Förderung ähnlicher Bewegungen in Lateinamerika durch die Demonstration von Stärke. Zum anderen wollte Chruschtschow in diesem Bereich ein Gleichgewicht herstellen, hatten die USA doch schon seit langem Mittelstreckenraketen in Europa stationiert, die die Sowjetunion treffen konnten. Auch hier konnte eine bewaffnete Konfrontation letztlich vermieden werden. Für den Verzicht auf die geplante Stationierung der Raketen auf Kuba sagte die amerikanische Regierung im Gegenzug zu, auf eine Invasion Kubas zu verzichten und die in der Türkei stationierten Raketen abzuziehen.
Diese Konfrontationen wurden aber immer wieder durch mehr oder weniger lange Phasen der Entspannungspolitik unterbrochen. Nach der Kuba-Krise und besonders ab Ende der 60er Jahre zeigte sich das besonders deutlich, als eine Reihe von Abkommen geschlossen wurden: das Atomteststoppabkommen 1963, der Atomwaffensperrvertrag 1968, das Rüstungsbegrenzungsabkommen SALT I (SALT=Strategic Arms Limitation Talks) 1972. Die von der sozial-liberalen Bundesregierung ausgehandelten "Ostverträge" mit den Staaten des Warschauer Paktes (Sowjetunion, Polen, DDR, CSSR, 1970-73) entschärften zusätzlich das Krisenpotential in der Mitte Europas. Die Bedeutung der Entspannungspolitik für das Ende des Kalten Krieges und den Zusammenbruch der Sowjetunion bleibt umstritten. Sicher hat sie aber dazu beigetragen, unbeabsichtigte Eskalationen zu einem großen Krieg zu vermeiden.
Entspannungspolitik gab es jedoch nicht erst seit den 60er Jahren. Selbst in den 50ern kam es zu ersten Ansätzen, beispielsweise nach dem Tod Stalins 1953. Im Grunde versuchte schon Nikita Chruschtschow, den Wettstreit der Systeme auf den wirtschaftlichen Bereich, und dabei insbesondere auf das Feld des Konsums, zu verlagern. Das 1958 formulierte Ziel war in der Tat, den Westen in puncto Lebensstandard zu überholen. Bis heute diskutieren Historiker darüber, ob dies ernst gemeint war, aber wahrscheinlich schon. Allerdings erwartete Chruschtschow (ganz im Sinne der marxistischen Ideologie) eine baldige Wirtschaftskrise im Westen. Sein ungebrochener Optimismus zeigte sich unter anderem in der "Küchendebatte" 1959, die am Rande einer amerikanischen Ausstellung in Moskau mit Vizepräsident Richard Nixon stattfand. Es handelte sich aber nicht um eine vorbereitete Debatte, sondern eher um einen ad hoc geführten Schlagabtausch:







Chruschtschow argumentierte, die Sowjetunion sei viel jünger als die USA und werde das amerikanische Niveau in 7 Jahren erreicht haben. Wenn die Amerikaner weiter den Kapitalismus behalten wollte, so sei das ihre Sache, aber die Sowjets würden den Amerikanern zuwinken, wenn sie sie überholten. Die Unterhaltung zwischen zwischen Nixon und Chruschtschow wurde auf einem frühen Videorekorder festgehalten. Hier ist übrigens ein Bild der amerikanischen Modellküche (aus dem "typisch amerikanischen Haus" auf der Ausstellung):


Letztlich verlor die Sowjetunion den Kalten Krieg auf genau dem Feld, auf das sie ihn selbst verlagert hatte. Schon der Mauerbau 1961 war ein Eingeständnis des Scheiterns.

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