Die Präferenzen hinsichtlich der Speisen änderten sich weniger stark. Es gab einige Modegerichte, wie in den 50er Jahren der "Toast Hawaii", die neu waren. In den 60er Jahren verbreiteten sich kalte Platten bei gesellschaftlichen Anlässen. Insgesamt änderten sich jedoch die Lieblingsspeisen kaum. Ausländische Küche wurde eher zögerlich rezipiert, vor allem seit Mitte der 60er Jahre. Italienische Eisdielen waren zwar schon verbreitet, der Boom der ausländischen Gastronomie setze im Großen und Ganzen jedoch erst später ein. Insgesamt blieben die traditionellen Unterschiede in der Ernährung zwischen Nord- und Südeuropa weitgehend erhalten, wie die Abbildung zeigt. Eine Angleichung gab es beim Fleischkonsum aufgrund des gestiegenen Wohlstands in den südeuropäischen Ländern, nicht jedoch bei den Kartoffeln.
Eine wichtige Veränderung betraf die Verbreitung neuer Konservierungsmethoden wie z.B. Konserven oder Tiefkühlkost. Letztere verbreitete sich in Westeuropa langsamer als in den USA und in Südeuropa langsamer als im Norden. Nichtsdestotrotz veränderte sie partiell die Ernährungsgewohnheiten: Orangensaft und Geflügel (in Deutschland) wurden populär. Auffällig ist jedoch, dass in den einzelnen Ländern noch in den 60er Jahren ganz unterschiedliche Lebensmittel als Tiefkühlkost verkauft wurden: in Deutschland v.a. Geflügel, in Frankreich fast nur Fisch, in Großbritannien Gemüse, Fisch und Fleisch.
Die Ernährungsgeschichte ist eng verknüpft mit der Geschichte des Einzelhandels, da der größte Teil des Umsatzes immer noch mit Lebensmitteln gemacht wird. Die traditionellen Läden ("Tante-Emma-Läden") wurden seit Mitte der 50er Jahre mehr und mehr durch moderne Supermärkte ersetzt, in denen das Prinzip der Selbstbedienung vorherrschte. Vorher waren Verkäufer und Ware auf der einen Seite vom Käufer auf der anderen Seite durch die Theke getrennt. Nunmehr konnte der Käufer in direkten Kontakt mit der Ware treten. Die Waren kommunizierten direkt mit dem Konsumenten, mussten also entsprechend verpackt, präsentiert und beworben werden. Vorher hatte der Verkäufer häufig noch eine beratende Funktion gehabt, die nunmehr weitgehend wegfiel.
Die neuen Supermärkte verbreiteten sich in fast ganz Westeuropa mit Ausnahme der südeuropäischen Länder Italien und Spanien, wo sich die traditionellen Ladengeschäfte weitaus länger und z.T. bis heute hielten. Die Gründe sind zum einen in einer bewussten Mittelstandspolitik zu suchen, die kleine Ladeninhaber vor der Konkurrenz der großen Ketten schützen sollte, aber auch in anderen Einkaufs- und Ernährungsgewohnheiten als in Nord- und Mitteleuropa. Das tägliche Einkaufen und frische Zubereiten der Speisen hielt sich im Süden länger. Somit ist es auch keine Überraschung, dass es einen Zusammenhang zwischen ausbleibender Modernisierung des Einzelhandels und geringem Konsum von Tiefkühlkost gab. Die Anschaffung von Tiefkühltruhen lohnte sich aufgrund des geringen Umsatzes der kleinen Läden schlicht nicht.
Wie schon erwähnt, wurde Werbung durch die Einführung der Selbstbedienung immer wichtiger. Prinzipiell war Werbung natürlich nichts Neues. Die Veränderungen in den 1950er und 60er Jahren waren dennoch beachtlich, sowohl was die Organisation der Werbung als auch was ihre Medien und Inhalte anging. Zum einen verbreitete sich die Werbeagentur nach US-amerikanischem Vorbild, die Werbedienstleistungen aus einer Hand anbot. Hinsichtlich der Medien ist besonders das Werbefernsehen zu nennen, das in unterschiedlichem Maße zugelassen, aber häufig stark reguliert wurde. In Frankreich blieb Werbefernsehen bis 1968 generell verboten, in Italien war es nur in speziellen Sendungen erlaubt. Die Aufwendungen für Werbung dürften stark zugenommen haben, obwohl zuverlässige Statistiken fehlen. Eine Übersicht von 1971 zeigt, dass es auch zu dieser Zeit noch große Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Ländern gab. Besonders hoch war der Werbeaufwand in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland.
Die Inhalte der Werbekampagnen sind naturgemäß schwer auf einen Nenner zu bringen. Dass nationale Unterschiede selbst in den 60er Jahren noch eine Rolle spielten, zeigt die Tatsache, dass es vor 1970 nur wenige internationale Werbekampagnen gab. Selbst multinationale Konzerne wie Philip Morris warben für ihre Marlboro-Zigaretten in den 60er Jahren noch nicht einheitlich. Die bekannten Cowboy-Motive gab es zwar in der US-Werbung schon. In Deutschland hingegen dominierte der gut gekleidete (männliche) Angestellte die Marlboro-Werbung.
Die wichtigste inhaltliche Veränderung betraf das Aufkommen zunehmend subtilerer Werbung, die auf psychologische Methoden und Erkenntnisse zurückgriff. Einer der bekanntesten Protagonisten dieser neuen "Motivforschung" war der österreichisch-amerikanische Werbefachmann Ernest Dichter (1907-91). Er versuchte, mit Hilfe psychoanalytischer Methoden die teils unbewussten Kaufmotive der Konsumenten zu entschlüsseln. Letztlich führte das zu einer Abkehr von der noch in der Zwischenkriegszeit verbreiteten Werbung mit direkten Appellen an den Konsumenten ("Esst mehr Obst") und statt dessen zur Inszenierung von Traumwelten und Lebensgefühlen. Das beunruhigte bereits die Zeitgenossen, und die Kritik an der Werbung ist bei heute nicht abgeebbt. 1957 veröffentlichte Vance Packard (1914-96) seinen Bestseller über die "geheimen Verführer", der die damals neuen Werbemethoden scharf kritisierte. Befürchtet wurde eine zunehmend perfekte Manipulationsmaschine, die dem Konsumenten quasi jedes Produkt aufzwingen könne. Damit rückten Begleiterscheinungen des Überflusses zunehmend in den Fokus der Sozialkritik, die sich vorher überwiegend auf den Mangel (z. B. das Elend der Arbeiter) gerichtet hatte. Insofern ist Packards Buch auch als Verarbeitung der neuen Phänomene des Massenkonsums zu sehen.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Modernisierung des Einzelhandels und der Werbung entscheidend zur Ausbildung einer Massenkonsumgesellschaft beitrugen. Sie verstärkte die ohnehin starke Nachfrage zusätzlich und rückte zunehmend den immateriellen "Zusatznutzen" der Produkte in den Vordergrund. Von den Zeitgenossen wurde dies häufig als "Amerikanisierung" erfahren und bisweilen kritisiert. Aber letztlich lässt sich nicht nur am Beispiel der Ernährung zeigen, dass nationale Unterschiede kaum verschwanden. Auch die Werbung musste sich zunächst nationalen Besonderheiten anpassen. Die schärfsten Kritiker der neuen Massenkonsumgesellschaft waren, jedenfalls zunächst, ebenfalls Amerikaner, wie Vance Packard oder David Riesman.
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