Mittwoch, 31. August 2016

Warenhäuser

Die Geschichte der Warenhäuser hat schon lange erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, gilt doch manchen (nicht allen) Historikern der Aufstieg der Warenhäuser im späten 19. Jahrhundert als Beginn der Konsumgesellschaft. Die Geschichte der Warenhäuser ist somit gut erforscht, u.a. von Rudi Laermans, Detlev Briesen oder Heidrun Homburg. Manche meinen sogar, die Warenhäuser als Thema seien überforscht, es würde ihnen in der Historiographie mehr Aufmerksamkeit zugemessen als ihnen von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gebühre.

Wie dem auch sei, die Geschichte der Warenhäuser scheint ein faszinierendes Thema zu sein. Gleich zwei neuere Bücher zu dem Thema sind erschienen, eine soziologische Dissertation von Thomas Lenz (Konsum und Modernisierung. Die Debatte um das Warenhaus als Diskurs um die Moderne, Bielefeld 2011) und eine Monographie des Literaturwissenschaftlers Uwe Lindemann (Das Warenhaus. Schauplatz der Moderne, Köln 2015).

Lenz arbeitet sich an den sozialwissenschaftliche Klassikern Max Weber, Thorstein Veblen, Georg Simmel und Werner Sombart ab. In gewisser Weise scheint sein Interesse eher der Theoriegeschichte zu gelten. Den Diskurs über das Warenhaus um 1900 thematisiert er hinsichtlich der Dimensionen Weiblichkeit, Judentum und Ökonomie. Er sieht insgesamt in der in Deutschland verbreiteten Warenhauskritik um 1900 eine Spielart des "reactionary modernism" im Sinne von Jeffrey Herf. Bestimmte technische und produktive Funktionen des Warenhauses wurden zwar begrüßt, insgesamt aber überwog Skepsis. Frauen wurden als hilflose Opfer betrachtet, Juden als Verführer der ahnungslosen Kunden. In der Kritik des Warenhauses sieht er zurecht eine Kritik der Moderne insgesamt.

In ähnlicher Weise sieht Uwe Lindemann das Warenhaus als "Konzept der Moderne", als "kollektivsymbolisches Gravitationssystem". Auch Lindemann beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Warenhaus und Weiblichkeit sowie (etwas weniger ausführlich) mit dem Antisemitismus der Warenhauskritik. Allerdings werden bei Lindemann noch weit mehr Themen angesprochen, etwa Warenhauspolitik oder Warenhauskultur wie z.B. Schaufenstergestaltung. Er kommt letztlich aber (in einer etwas anderen Terminologie) zu ähnlichen Ergebnissen wie Lenz. Das Warenhaus wird in den Diskursen um 1900 zum "Modell der Moderne" oder "Schauplatz der Moderne", die Kritik an ihm zeige gerade die Krisenhaftigkeit der Moderne auf.

Insgesamt handelt es sich um zwei lesenswerte, sorgfältig recherchierte Bücher, wenn man den ein oder anderen polemischen Seitenhieb bei Lindemann übergeht. Die Ergebnisse sind allerdings wenig überraschend, jedenfalls wenn man mit der bisher erschienenen Literatur vertraut ist. Hilfreich wäre vielleicht ein internationaler Vergleich gewesen, den beide Bücher leider nicht leisten.

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