Heft
3/2011 der Zeitschrift „Comparativ“ (herausgegeben von Kirsten
Bönker und Vera Caroline Simon) beschäftigte sich mit dem Thema
„Konsum und politische Kommunikation“. Nicht zu Unrecht betonen
die Herausgeber, dass Konsum und Politik in der neueren Forschung
nicht mehr als Gegensätze verstanden werden. Gefragt wird
dementsprechend, „wie wann und unter welchen Bedingungen Konsum
politisiert, depolitisiert und entpolitisiert wurde“ (S. 9), mit
Bezug auf West- und Osteuropa seit der Frühen Neuzeit. Im Einzelnen
behandeln die Aufsätze recht divergente Themen: Konsum als Motiv in
Reiseberichten des 16. Jahrhunderts; deutsche und niederländische
Radfahrerverbände in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; die
politische Repräsentation des Konsumenten nach dem Ersten Weltkrieg;
Planung und Partizipation in Schweden und Norwegen 1930-60;
Visualisierungsstrategien in ostdeutschen und sowjetischen
Printmedien 1953-64; und der „dicke Körper“ in der DDR und BRD.
Die einzelnen Beiträge sind insgesamt durchaus interessant und
lesenswert. In der Zusammenschau fällt jedoch die Heterogenität
auf, die wohl auch damit zu tun hat, dass sowohl „Konsum“ als
auch „Politik“ (bzw. „das Politische“) definitorisch recht
weit gefasst werden. Sicher ist es lobenswert, dass die Autoren und
Herausgeber einer simplizistischen Sichtweise nach dem Motto „Konsum
plus Politik gleich fortschrittlich, Konsum minus Politik gleich
Rückschritt“ (S. 9) eine Absage erteilen. Nichtsdestotrotz
vermisst der Leser Hypothesen über die Zusammenhänge der beiden
zentralen Begriffe, die es erlauben würden, die Beiträge besser
einzuordnen.
Ein
ganz anderes, nicht auf dieses Heft beschränktes Problem in der
Konsumgeschichte scheint mir jedoch, dass, bei aller berechtigten
Betonung der politischen Rolle des scheinbar unpolitischen Konsums,
die umgekehrte Blickrichtung vernachlässigt wird. Soll heißen: es
wäre einmal interessant zu fragen, nicht wie der die Politik den
Konsum regulierte, sondern wie der Konsum (der Politiker) politische
Entscheidungen beeinflusste. In politikgeschichtlichen Darstellungen
findet sich hierzu wenig bis gar nichts. Aber ist es wirklich
realistisch anzunehmen, dass beispielsweise Bismarcks exzessiver
Alkoholkonsum überhaupt keine Auswirkungen auf die „große“
Politik hatte?